Was bedeutet Selbstsabotage? 9 Gründe, warum Hochsensible und Introvertierte sie besonders oft erleben
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Du möchtest deine Idee in die Welt bringen, doch du spürst immer wieder, dass dich etwas hindert? Bestimmt hast du schon von Selbstsabotage gehört – und fragst dich, was das genau bedeutet. Gerade wenn du introvertiert oder hochsensibel bist, kann Selbstsabotage sich auf besondere Weise zeigen und deine Vorhaben bremsen.
Vielleicht möchtest du ein Buch schreiben oder denkst darüber nach, dich selbständig zu machen. Oder du würdest gerne privat ein Projekt starten – einen Chor gründen, eine Wanderung in der Nachbarschaft organisieren – egal, was es ist: Du hast eine Idee, die dich bewegt.
Ich kenne das gut: Ich bin oft voller Ideen – sei es im Privaten („Oh, ein Wohnzimmerkonzert bei uns – das wäre doch was Feines!“) oder beruflich („Einen Online-Kurs? Oder vielleicht lieber einen E-Mail-Kurs?“). Aber ziemlich schnell melden sich Zweifel: „Ein Wohnzimmerkonzert? Das ist so viel Arbeit! Und was, wenn etwas kaputtgeht?“
Zweifel und innere Bremsen können sinnvoll sein. Sie helfen uns, mit unserer Energie gut hauszuhalten. Wir können nicht jede Idee umsetzen – und das ist okay.
Aber: Wenn dich eine Idee schon länger begleitet, immer wieder in dir aufleuchtet – dann könnte es sein, dass da wirklich etwas raus in die Welt will. Und dann wäre es schade, wenn du dich dauerhaft von deinen alten Mustern zurückhalten lässt.
In diesem Blogbeitrag erfährst du, was Selbstsabotage bedeutet, woran du sie erkennst und warum sie gerade bei hochsensiblen und introvertierten Menschen häufig auftritt – und dass es dafür gute Gründe gibt.
Auch wenn du dich selbst nicht als HSP oder Intro bezeichnest, lohnt es sich weiterzulesen – du wirst dich vielleicht trotzdem wiedererkennen.
Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, was Hochsensibilität und Introversion eigentlich genau bedeuten, dann schau gerne hier: Die liebe Andrea hat in diesem Blogbeitrag sehr anschaulich beschrieben, wie es ist, als introvertierte und hochsensible Person durch die Welt zu gehen. Zum Blogbeitrag
Und jetzt lass uns gemeinsam anschauen: Was bedeutet Selbstsabotage eigentlich genau?
Was bedeutet Selbstsabotage?
Ich verstehe Selbstsabotage nicht als etwas, das dich bewusst zerstören will. Im Gegenteil: Alles, was in dir auftaucht – Gedanken, Gefühle, Verhaltensmuster – hatte einmal eine sinnvolle Funktion.
Häufig entstehen in der Kindheit bestimmte Glaubenssätze und Strategien, die uns damals schützen sollten: vor Ablehnung, vor Überforderung, vor Schmerz. Diese inneren Muster haben uns geholfen, in schwierigen Umgebungen zurechtzukommen.
Später merken wir oft, dass diese Strategien nicht mehr passen. Sie halten uns klein, lassen uns zweifeln oder verhindern, dass wir mutige Schritte gehen. Und genau das bezeichnen wir dann als Selbstsabotage – obwohl es ursprünglich ein Schutzmechanismus war.
Wenn du so auf dich schaust, wird aus dem inneren Kampf ein Dialog. Und aus Selbstsabotage ein Wegweiser für innere Heilung.
Woran kannst du Selbstsabotage erkennen?
Manchmal ist es gar nicht so leicht, Selbstsabotage zu erkennen. Hier ist einiges an Achtsamkeit und Selbstbeobachtung notwendig. Dazu später mehr. Hier sind einige Anzeichen, die darauf hinweisen könnten, dass bei dir Selbstsabotage im Spiel ist:
- Du kritisiert dich oft selbst, hast negative Gedanken über dich und traust dir nichts zu.
- Du glaubst, dass du inkompetent bist. Du unterschätzt deine Fähigkeiten und hast oft Gedanken wie „ich kann das doch gar nicht“, „was hab ich denn schon zu sagen“ oder „ich bin dafür nicht kompetent genug.“
- Du führst dir immer wieder vor Augen, wann du gescheitert bist und fokussierst dich mehr auf deine Misserfolge und vermeintlichen Schwächen.
- Du bist mit dem, was du erreicht hast, oft nicht zufrieden. Trotz Erfolgen findest du einen Grund, warum du etwas noch besser hättest machen können.
- Der Drang, alles perfekt zu machen, kann zu lähmenden Ängsten führen und dich davon abhalten, überhaupt anzufangen oder Fortschritte zu machen.
- Die Angst vor Erfolg ist besonders tückisch, da sie schwer zu erkennen ist. Es kann sein, dass eine Angst in dir schlummert, was alles passieren kann, wenn du erfolgreich bist. Vielleicht hast du Angst, aus dem Familiensystem auszubrechen, vielleicht hast du Angst, deine Freunde könnten sich von dir abwenden. Hier lohnt es sich, genau hinzuschauen.
Was ist, wenn ich dir jetzt sage: Diese Gedanken sind ganz normal für introvertierte und hochsensible Menschen? Spürst du dann eine gewisse Erleichterung? Lass mich erklären, warum es sehr vielen Intros und HSP so geht wie dir!
Was steckt hinter der Selbstsabotage? Was sind typische Hürden für Introvertierte und Hochsensible?
Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Selbstsabotage und einem geringen Selbstwertgefühl. Leider ist es oft so, dass viele Intros und HSP einen geringeren Selbstwert haben. Sie haben so oft von anderen gehört, dass sie anders sein sollten und durften sich Dinge anhören wie: „Jetzt sag doch auch mal was, warum bist du so still?“ So entsteht dann der Eindruck, dass man nicht so recht in die Gesellschaft und das Berufsleben passt. Alles ist zu laut, zu überstimulierend, und es geht viel zu schnell. Da kommt schon mal der Gedanke auf, ob man selbst irgendwie verkehrt ist.
Meist gibt es bereits im Kindesalter negative Erfahrungen. In der Schule heißt es, die stille Schülerin solle doch mehr mitarbeiten, von den Eltern kommt der Spruch „Geh doch mal raus, du bist ein richtiger Stubenhocker!“ So lernen wir, uns anzupassen, uns selbst zu kritisieren und unsere Bedürfnisse zu verleugnen.
Außerdem fand man tatsächlich Unterschiede in denen Gehirnen von Introvertierten und Extrovertierten und ebenso bei Hochsensiblen und Nicht-HSP. (2) Beispielsweise sind Introvertierte und Hochsensible vorsichtiger sind als Extrovertierte. Sie haben eher die Tendenz, auf Warnsignale zu achten, während Extrovertierte risikobereiter sind und gerne ihr Belohnungssystem befeuern. (3)
Das führt dazu, dass du überlegter und durchdachter handelst – und die Kehrseite der Medaille ist, dass du vielleicht zu vorsichtig bist und zu viel nachdenkst und nicht ins Handeln kommst.
Hier sind einige Beispiele für typische Hürden, die Introvertierte und HSP haben können
- Ängstlichkeit: Handeln und Entscheidungen blockieren aus übertriebener Vorsicht
- Kleinteiligkeit: sich in Details verlieren, Prioritäten aus dem Blick verlieren
- Überstimulation: von zu vielen lauten, zu schnellen Eindrücken überfordert sein
- Passivität: In einer Situation verharren, auch wenn dies negative Auswirkungen hat
- Verkopftheit: Gefühle vernachlässigen, Verstand überschätzen
- Selbstverleugnung: eigene Merkmale und Bedürfnisse verleugnen bzw. negativ bewerten
- Kontaktvermeidung: Gefahr der Isolation dadurch, dass man wenige Kontakte bevorzugt
- Konfliktscheu und zu starkes Harmoniebedürfnis: heikle Situationen nicht aktiv angehen und dabei Belastungen in Kauf nehmen, schwierige Situationen durch Rückzug vermeiden (4), (5)
- Hinzu kommen, resultierend aus dem oftmals geringeren Selbstwertgefühl, die Angst vor der Bewertung durch andere und die Angst davor, sichtbar zu werden.
Wenn du dich darin wiedererkennst und denkst: „Oh je, das bin ja alles ich …“ – dann atme kurz durch.
All das, was du da oben gelesen hast, sind keine „Fehler“. Es sind Strategien, die du entwickelt hast, um in einer Welt zurechtzukommen, die oft nicht für uns HSPs und Intros gemacht zu sein scheint.
Du hast dich angepasst, geschaut, wo du sicher bist, und gelernt, dich selbst zurückzunehmen.
Diese Eigenschaften machen dich nicht schwächer – sie machen dich besonders. Und sie bringen auch große Stärken mit sich, die oft erst auf den zweiten Blick sichtbar werden.
In einem späteren Blogbeitrag schauen wir genau dorthin – auf das, was dich als introvertierten oder hochsensiblen Menschen auszeichnet und wie du beginnen kannst, diese Stärken wieder zu sehen und zu leben.
Du bist nicht falsch. Alles, was du (nicht) tust, hat einen guten Grund.
Wenn du dich in vielem wiedererkennst – in den inneren Zweifeln, dem Zögern, dem Wunsch, etwas in die Welt zu bringen, aber gleichzeitig der Angst davor – dann möchte ich dir sagen:
Du bist nicht kaputt. Du bist nicht zu sensibel. Du bist nicht zu verkopft.
Was du vielleicht als Selbstsabotage erlebst, ist oft ein Versuch deines Systems, dich zu schützen. Und das bedeutet: Du funktionierst. Vielleicht nur nach alten Regeln, die heute nicht mehr passen.
Indem du anfängst, diese Muster zu erkennen und liebevoll zu hinterfragen, öffnest du dir neue Wege – nicht mit Druck, sondern mit Mitgefühl. Du darfst Schritt für Schritt herausfinden, was für dich stimmig ist. Und du darfst dir erlauben, neu zu wählen.
Im nächsten Teil dieser Serie zeige ich dir konkrete Möglichkeiten, wie du mit deinen inneren Bremsen arbeiten kannst.
Bis dahin sei sanft mit dir!
Quellen und Ressourcen
- https://www.utedrechsler.de/introvertiert-hochsensibel-anders-fuehlen/
- Sylvia Löhken: Leise Menschen, starke Wirkung. Wie sie Präsenz zeigen und Gehör finden.
- Susan Cain: Still. Die Kraft der Introvertierten.
- Parlow, Georg: Zartbesaitet. Selbstverständnis, Selbstachtung und Selbsthilfe für hochsensible Menschen.
- Sylvia Löhken: Intros und Extros. Wie sie miteinander umgehen und voneinander profitieren.