In diesem Glossar findest du Begriffe rund um die Themen Trauma, Nervensystem und Methoden im traumasensiblen Coaching. Die Liste wird fortlaufend von mir erweitert – bis es ein kleines Lexikon wird. 😀

Containment

Mit Containment ist gemeint, intensive Gefühle halten zu lernen, also sich nicht davon wegspülen oder völlig vereinnahmen zu lassen. Hilfreich dabei ist es, in eine Beobachterposition zu kommen und die Körperempfindungen einzubeziehen.

Dorsaler Vagus

Ein Zweig des Vagusnervs, der bei extremer Überforderung aktiv wird. Er führt zu Erstarrung, Abschalten oder innerem Rückzug.

Ego States

Ego States (Ich-Zustände) sind innere Persönlichkeitsanteile mit eigenen Emotionen, Überzeugungen und Verhaltensmustern. In der traumasensiblen Arbeit werden sie bewusst wahrgenommen und in einen sicheren inneren Dialog gebracht.

Hypnosystemik

Ein Ansatz, der Hypnotherapie mit systemischen Konzepten verbindet. Unbewusste Prozesse werden als kreative Ressourcen betrachtet, die über symbolische Bilder und Trance-Zustände aktiviert werden können.

Nervensystem

Das Nervensystem ist das Kommunikationsnetzwerk des Körpers. Es steuert bewusstes und unbewusstes Erleben. Besonders wichtig im Coaching ist das autonome Nervensystem.

Neuroplastizität

Neuroplastizität bezeichnet die Fähigkeit des Gehirns, sich im Laufe des Lebens strukturell und funktionell zu verändern. Durch neue Erfahrungen, Lernprozesse und bewusste Wiederholung bilden sich neue neuronale Verbindungen, bestehende Verknüpfungen werden gestärkt oder geschwächt. Im Coaching bedeutet das, dass durch gezielte Übungen neue, unterstützende Wege etabliert werden können. Gleichzeitig werden alte, hinderliche Muster schwächer, weil die entsprechenden neuronalen Bahnen seltener aktiviert werden.

Parasympathikus

Ein Teil des autonomen Nervensystems, der für Regeneration, Entspannung und innere Ruhe zuständig ist. Er wirkt antagonistisch zum Sympathikus und hilft bei der Selbstregulation.

Polyvagale Leiter

Die Polyvagale Leiter ist ein Modell der Polyvagaltheorie von Dr. Stephen Porges, das von der Therapeutin Deb Dana alltagsnah weiterentwickelt wurde. Sie beschreibt auf verständliche Weise die drei Hauptzustände unseres autonomen Nervensystems – wie Stufen auf einer Leiter, auf der wir uns je nach innerer und äußerer Sicherheit auf- und abbewegen.

Die drei Ebenen der Leiter:

  1. Oben – Ventral-vagaler Zustand
    Hier fühlen wir uns sicher, verbunden und innerlich ruhig. Wir können klar denken, kommunizieren, kreativ sein und mit uns selbst und anderen in Resonanz gehen. In diesem Zustand ist Selbstregulation, Empathie und Beziehung möglich. Es ist der Zustand, in dem Entwicklung, Lernen und Heilung geschehen können.

  2. Mitte – Sympathischer Zustand
    Wenn das Nervensystem eine Bedrohung wahrnimmt, mobilisiert es Energie. Wir geraten in Kampf- oder Fluchtmodus. Typische Gefühle sind Anspannung, Unruhe, Angst, Gereiztheit oder Überforderung. Der Körper wird aktiv – nicht aus „Willensschwäche“, sondern aus Schutz.

  3. Unten – Dorsal-vagaler Zustand
    Wenn weder Kampf noch Flucht möglich erscheinen, reagiert der Körper mit Rückzug oder Erstarrung. Wir fühlen uns dann oft abgeschnitten, leer, müde, taub oder hoffnungslos. Auch das ist ein Schutz – der älteste in unserem Nervensystem.

Warum steht der ventral-vagale Zustand „oben“ – und nicht in der Mitte?

Intuitiv erscheint Balance oft als etwas „Mittiges“. Die Leiter spiegelt jedoch die evolutionäre Entwicklung unseres Nervensystems wider:

  • Ganz unten: die ältesten Reaktionen – wie bei Reptilien – Totstellreflexe (dorsal-vagal)

  • In der Mitte: Kampf- oder Fluchtmechanismen, typisch für Säugetiere (Sympathikus)

  • Ganz oben: der jüngste, komplexeste Teil – soziale Verbundenheit und Regulation (ventral-vagal)

Der ventral-vagale Zustand steht oben, weil er die höchste Form der Selbstregulation ermöglicht. Wenn Sicherheit verloren geht, steigen wir die Leiter hinab – vom verbundenen Zustand in Aktivierung oder Abschaltung. Und ebenso können wir sie wieder hinaufsteigen, Schritt für Schritt zurück in Sicherheit und Verbindung.

Wozu dient das Modell?

Die Polyvagale Leiter bietet eine Landkarte, um unsere inneren Zustände besser zu verstehen – ohne Selbstverurteilung. Sie macht sichtbar, dass unsere Reaktionen sinnvoll und intelligent sind. Das Modell hilft in der traumasensiblen Begleitung, um die nächsten Schritte in Richtung Regulation zu finden.

Polyvagal-Theorie

Eine neurobiologische Theorie von Stephen Porges, die erklärt, wie das autonome Nervensystem auf Gefahr, Stress und Sicherheit reagiert.

Selbstregulation

Selbstregulation bedeutet, auf die Erregungszustände im Nervensystem Einfluss zu nehmen und aus der Über- oder Untererregung herauszukommen. Dafür gibt es Übungen, wie Körperberührungen und -bewegungen, die den ventralen Vagus aktivieren und sowie anderevÜbungen, die dem Nervensystem das Gefühl vermitteln können „ich bin hier sicher.“

Stresstoleranzfenster

Den Begriff Stresstoleranzfenster hat der Psychologe Daniel Siegel geprägt. Damit werden die unterschiedlichen Erregungsniveaus unserer Nervenssystems beschrieben. Wenn unser Sympathikus zu aktiv ist, sind wir in der Übererregung, bei zu hoher Aktivierung des dorsalen Vagus (der dem Rücken zugewandte Teil des Paraysympathikus) sind wir in der Untererregung. Wenn der ventrale Vagus-Nerv (der vordere Ast des Parasympathikus) optimal angeregt ist, sind wir in einem ausgeglichenen Erregungsszustand. Man sagt, wir sind „innerhalb des Stresstoleranzfensters.“

Sympathikus

Teil des autonomen Nervensystems, der den Körper auf Aktivität, Gefahr und Leistung vorbereitet. Er führt zu typischen „Fight or Flight“-Reaktionen.

Trauma

Trauma ist eine normale physiologische Reaktion auf eine unnormale, hochstressige Situation. Trauma passiert, wenn wir durch verschiedenste Ereignisse aus unserem sogenannten Stresstoleranzfenster herauskatapultiert werden. Das kann ein akutes Schocktrauma sein oder eine Folge von traumatischen Erfahrungen über einen längeren Zeitraum hinweg, was für frühkindliche Traumata typisch ist.

Traumafolgestörung

Wenn wir eine hochstressige Erfahrung machen, führt diese nicht zwangsläufig zu Trauma, sondern nur dann, wenn wir weder kämpfen, noch fliehen können. Als kleine Kinder sind wir dazu nicht in der Lage. Wenn wir im Hochstress sind und keine Co-Regulation durch unsere Bezugspersonen erfahren (zum Beispiel durch hochnehmen, trösten und beruhigen) kann es zu Trauma kommen.

Das bedeutet im Detail, dass die einkommenden Reize von unserem Hippocampus nicht ordnungsgemäß verarbeitet werden können. Sie werden als Fragmente in unserem Körper und unserem Gehirn gespeichert und können uns später als sogenannte Flashbacks förmlich überschwemmen. Das ist das Aufflackern von emotionalen oder körperlichen Zuständen, inneren Bildern u. a.

Das nicht verarbeitete Trauma kann zu einer großen Bandbreite und vielfältigen Symptomen führen, u. a.

Psychische Probleme wie Schuld- und Schamgefühle, Depressionen, mangelndes Selbstwertgefühl, Schwierigkeiten, sich abzugrenzen, Gedankenkreisen, Probleme mit der Affektregulation

Körperliche Symptome: Migräne, große Spannung in der Muskulatur, Verdauungsbeschwerden, geschwächtes Immunsystem bis hin zu Autoimmunerkrankungen, Erschöpfung

Dazu muss gesagt werden, dass nicht jeder Mensch Traumafolgestörungen (Auch PTBS oder posttraumatische Belastungsstörung genannt) entwickelt.

Ventraler Vagus

Ein Zweig des Vagusnervs, zuständig für soziale Verbindung, Ruhe und Regeneration. Bei Aktivierung fühlen wir uns sicher, präsent und beziehungsfähig.

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